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Schnupperkurs auf dem Nürburgring

Wenn die eigene Muskelkraft nicht mehr reicht…

Bericht des abgetretenen Oberturners Boumi

Mit einem Gutschein fing es an. Nein, eigentlich schon viel früher, genau genommen fast 20 Jahre früher. Aber so alte Geschichten interessieren nicht mehr, darum setzten wir doch lieber beim Gutschein ein.

Im Februar 05 habe ich die TTB-„Aktivitas“ zu einem Abschieds-Vollmond-Gurtenlauf-Spaghettiessen zu mir nach Hause an den Buschweg eingeladen. Aus dem Gurtenlauf wurde eine Schlittelpartie im wahrsten Sinne des Wortes, wobei ich mich noch beinahe der Unverfrorenheit meiner doch nun auch in die Jahre gekommenen Mittturner schämen musste, weil sie an einer verlassenen Feuerstelle kurzerhand vom Glühwein aus dem Topf probierten und es mir auch schmackhaft machen wollten. Dass der Topf eigens für uns da stand, hätte ich mir nicht in den kühnsten Träumen erdacht. Jedenfalls bedanke ich mich hier nochmals herzlich für die ebenso gelungene wie romantische Überraschung und entschuldige mich gleichzeitig für meine anfängliche Begriffsstutzigkeit. Schlussendlich sind wir doch noch zu den Spaghettis am Buschweg gekommen. Beim Kaffee wurde mir von Twist ein Geschenkpäckchen übergeben. Im Päckchen ein Couvert mit nachfolgendem Inhalt:

für einen Formel-Schnupperkurs auf dem Nürburgring. Einzulösen bis 11. 1. 06.

Wahrscheinlich spielte mir meine Begriffsstutzigkeit erneut einen Streich. Ich durchschaute nämlich nicht auf Anhieb, zu was der Gutschein alles gut schien. Erst nach und nach kam ich der Sache auf die Spur: Als Abschiedsgeschenk für meine Tätigkeit wurde mir vom harten Kern der MitturnerInnen das Fahren eines Formelrennautos auf dem Nürburgring bei der Rennfahrerschule Zakspeed ermöglicht. Wow!

In den nächsten Tagen machte ich mich via Internet über die Termine bei Zakspeed schlau. Für das laufende Jahr waren alle mir möglichen ausgebucht. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, versicherte mir die Frau am Telefon. Sie informiere mich im 06 über die neuen Termine. So war es auch. Im Januar konnte ich den Kurs vom 21. April 2006 buchen.

So tuckerten Katrin und ich mit unserem Wohnbusli am 19. April 06 gemütlich Richtung Eifel los. Im Gepäck schmale Schuhe. Am Vorabend des Kurses erreichten wir den Campingplatz am Nürburgring bei Müllenbach. Nach der ernüchternden Klärung des Preises (11 Euro pro Tag, d.h. 22 für eine Nacht pro Person) hätten wir uns eigentlich ein Hotelzimmer nehmen können, entschieden uns aber trotzdem für den fast menschenleeren Platz.

Dann wollten wir uns diesen Ring einmal ansehen. Wie der Name sagt, muss sogar eine Burg vorhanden sein. Die war von der Anhöhe der Start-/Zieltribüne auch nicht zu übersehen. Dass sie so gross war, erstaunte mich. Auf der Rückseite des Burghügels entdeckte ich sogar eine Sprungschanze und einen mittlerweile überwucherten Skilift.

 Alles in allem eine idyllische Hügellandschaft, läge nicht ringsum von nah und fern das Aufheulen von Auto- und Motorradmotoren in der Luft. Auch die Häuser entlang der Dorfstrasse stimmten in den morgigen Tag ein: „Pitstopp“, „Boxengasse“, „Motorradhotel“ und viele mehr. Langsam gewöhnte man sich auch an die überbreiten, mit Fahrgastzellenverstrebungen versehenen Autos, deren Fahrer sich noch nicht vollständig vom Rundkurs auf die öffentliche Strasse umstellen konnten.

Nach einer ruhigen Nacht erschien ich kurz vor 09.00 im Theoriesaal. Beinahe alle Stühle waren schon besetzt mit erwartungsvollen Männern zwischen 20 und 65. Die Infos waren kurz, humorvoll und für meine Begriffsstutzigkeit gerade richtig dosiert. Jedenfalls wusste ich nun, dass das Lenkrad zum Ein- und Aussteigen von der Lenksäule abgezogen werden musste, wo Zündungs- und Startknopf zu finden waren, was das Display hinter dem Lenkrad anzeigen konnte, dass das Fahrzeug über einen Rückwärtsgang verfügte, den man aber unter keinen Umständen genauso wenig wie den Feuerlöschknopf betätigen durfte. Übers Dürfen, besser gesagt Nichtdürfen wurde viel gesprochen: Nicht überholen, nicht zu nahe aufschliessen, nicht über 4000 U/Min drehen, nicht ohne Helm und Visier fahren. Mit anderen Worten, Disziplin für einen reibungslosen und unfallfreien Ablauf war gross geschrieben. Keiner hatte noch Fragen, alle wollten auf die Stecke.

Im Konvoi fuhren wir mit den Privatautos zur Müllenbach-schleife (tiefster Punkt der 5.1 km langen Grand Prix Runde, im Bild dunkel gefärbt). Unser Vito reihte sich beinahe unpässlich zwischen den GTIs, BMWs und Mercedes ein. Zu meiner Erleichterung schloss zu hinterst noch ein grosses Wohnmobil an. Gemütlich mündeten wir nördlich der Shell-Kurve auf der Piste ein und absolvierten erst einmal mit Tempo 30 die 1.5 km lange Schlaufe. Eine solch grandiose Übersicht über die Piste sollte ich nur auf dieser Runde haben, aber das wusste ich noch nicht.

Im Startbereich standen schon sechs sauber (nein, nicht Sauber, sondern sauber) polierte Rennwagen glänzend in der Morgensonne, flankiert von je einem Mechaniker. Über die Daten der Autos konnte ich nur wenig herausfinden: Ca. 400 kg leicht, ca. 150 PS, 2000 ccm, 4-Zylinder-Saugmotor, Spitze ca. 240 km/h, Preis ca. 100'000 Euro. Und klein. Viel kleiner, als ich es mir gedacht hatte. Ob sich da wohl alle ins Cockpit zwängen konnten? Waren doch unter den Kandidaten auch einige fülligere Modelle.

Nach der Einkleidung mit dem feuerfesten Overall (auch die fülligeren Herren fanden eine passende Grösse, also musste es auch mit dem Platz im Cockpit klappen) und Helm mit integrierten Lautsprechern wurden die Kandidaten auf die Wagen verteilt. Je vier auf ein Fahrzeug. Die Gruppen wurden nach Länge der Fahrer gemacht, nicht nach Breite. Ich wurde ins Team Renault mit Wagen Nr. 11 eingeteilt.

Der erste Fahrer zwängte sich unter Mithilfe des Gruppenteams und des Mechanikers ins enge Cockpit. Nach dem Anschnallen und dem Verbindungstest über den Helmlautsprecher konnten die Maschinen gestartet werden. Der Coach am Rand gab jedem Einzelnen über Funk die Starterlaubnis. An der Spitze der Kolonne fuhr der Instruktor im Wagen Nr. 15. Gemächlich wurde die Dunlop-Kehre angefahren. Hinter ihm hopsten und ruckelten die fünf Kurswagen. Die Motoren waren noch kalt und offensichtlich nicht sehr elastisch. Von Runde zu Runde tönte es besser, sah runder und schneller aus.

Ungeduldig wartete ich darauf, dass Gruppe 1 und 2 ihre Sequenz beendet hatten. In der Zwischenzeit kam ich beim Probesitzen in einem abgestellten Wagen zur Einsicht, dass mein rechter Freizeitschuh zu breit dimensioniert war, um nur Brems- oder Gaspedal zu betätigen. Also wechselte ich auf die eigens dafür mitgenommenen alten Hallenschuhe, was mir zumindest erlaubte, die Pedale nur mit der schmalen Schuhspitze einzeln zu drücken.

Jetzt ging alles unglaublich schnell: Kaum war mein Vorgänger (besser gesagt –fahrer) ausgestiegen und ich hatte mich ins enge Cockpit gezwängt, wurde ich von vielen helfenden Händen angeschnallt und festgezurrt. Funktionskontrolle über den ohrenbetäubenden Helmlautsprecher ok und schon hiess es: „Motoren starten mit durchgedrückter Kupplung“. Das Standgas war etwas mager eingestellt und mit rhythmischen Druckbewegungen auf das Gaspedal heulte es hinter dem Helm auf. Nun war klar, warum die Helmlautsprecher so eingestellt waren: Sie mussten lauter sprechen als der Motor!

Als zweiter hinter dem Instruktorfahrzeug erhielt ich die Starterlaubnis. Damit wurden alle Zweifel, die mir schon längere Zeit über meine Fähigkeiten in diesem Wagen unter dem Teilnehmerfeld aufgekommen waren, in den Hintergrund gedrängt. Mit viel Gas und langsam schleifender Kupplung kam das Gefährt in Fahrt. Dann zweiter Gang, wunderbar. Nur nicht zu nah auf den Vordermann auffahren, Gas weg. Und nun begann eine Ruckelpartie. Ich konnte den Wagen im 2. Gang nicht fein dosiert fahren, mein Kopf wurde an die Rückwand geschleudert, wenn ich ein wenig Gas gab, er zerrte mich nach vorne, wenn ich vom Gas weg ging. Erst als ich diesen Zustand mit dem Einlegen des 3. Ganges beendete, konnte ich die Fahrstrecke einigermassen ruhig vor mir zwischen den breiten, rollenden und vibrierenden Vorderreifen erkennen.

Die Schaltung mit dem ca. 10 cm langen, schnörkellosen Schalthebel konnte ich problemlos aus dem Handgelenk betätigen, aber in den Kurven war mir wohler, wenn ich beide Hände am Lenkrad hielt, zumal die Lenkung ungewohnt direkt und nicht sehr leichtgängig war. Genauso sieht es im Fernsehen aus, wenn eine Kameraübertragung aus einem Fahrzeug eingeblendet wird: Ein vibrierendes, nervöses Lenkrad, ruckartige Einlenkung der Vorderräder, eine Fahrbahn, die wie im Computerspiel plötzlich und viel zu spät im Blickfeld erscheint, eine flache Piste, die trotzdem gehörig Schläge auf Wagen und Fahrer austeilt. Rund um mich versank alles im Motorenlärm und meiner Konzentration auf das Fahren, dass ich auch die Anweisungen über Funk kaum wahrnehmen konnte. Nach und nach wurden die Fahrer, die direkt hinter dem Instruktor fuhren, auf die „Boxenstrasse“ gewunken, so dass der nachfolgende Fahrer in den Genuss kam, der Ideallinie des Instruktors zu folgen. Das war für mich das Eindrücklichste: Weil ich annahm, dass der Instruktor das Tempo so wählte, dass die Wagen auch bei nicht sehr sauberer Fahrweise die Kurve problemlos fahren können, fuhr ich nun viel schneller in die Kurve, als ich es bis jetzt gewagt hatte. Bis auf die Druckstellen an den Schultern war es wirklich auch kein Problem. Vorausgesetzt, man machte in der Kurve selber keine Schalt-, Brems- oder brüske Beschleunigungsmanöver. Ein paar Mal fühlte ich am Sitz, dass der Wagen im Heck ausgangs Kurve beim Beschleunigen leicht wegrutschte.

 Zurückschalten war nicht immer ohne Zwischengas möglich. Manchmal musste ich mich in einem zu hohen Gang durch die Kurve mogeln, weil es schlicht nicht für alles reichte: Distanz zum vorderen Fahrzeug halten, Kurve auf der Markierung anpeilen, Bremsen, Zurückschalten, einlenken, engsten Kurvenpunkt anfahren, Auslenkpunkt anfahren, Beschleunigen, Hochschalten und den Vordermann einholen. Und eh man richtig mit dem Wagen und der Strecke vertraut wurde, winkte der Streckenposten schon mit der schwarzweiss karierten Flagge die letzte Runde. Die wollte ich noch optimal Fahren und verschaltete mich grausam in der Shell-Kurve. Da es eine schwache Linkskurve ist, blieb es ohne Folgen.

In Gruppe vier passierte es in der zweiten Runde: In der engen Kurvenkombination „Little Monaco“ machte das letzte Fahrzeug einen Dreher. Sofort war ein Pistenbeobachter beim Fahrzeug und half dem Piloten, seinen Wagen wieder so zu positionieren, dass er in der nächsten Runde dem Konvoi anschliessen konnte.

Der Pilot wurde in der Pause aufgefordert, vorzutreten um den Vorfall zu analysieren. Daneben gab es weitere Tipps und die spannende Frage, wie wir denn in der zweiten Sequenz fahren möchten. Auf die Antwort eines jungen Teilnehmers „Volle Pulle“ kam die Devise „ok, ihr könnt nun bis 5000 U/Min hochdrehen“.

Die zweite Sequenz war super. Auch ohne die 5-Tausenderlimite hätte ich nicht schneller fahren können. Einen Ausflug ins Kiesbett wollte ich nicht in Kauf nehmen, denn die Runden, die ich damit verpasst hätte, wären doch sehr ärgerlich gewesen. Langsam, aber sicher kam das Gefühl für die neuen physikalischen Verhältnisse und die Strecke. Viel zu schnell waren die Runden gedreht, die letzte Runde eingewunken. Aber ich durfte lange genug fahren, um vom Virus infiziert zu werden: Es gibt ja nach dem Schnupperkurs noch den Grundkurs, den Trainingskurs und schlussendlich auch den Lizenzkurs - Na ja, lassen wir das Erlebte einwirken und sich setzen…

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die mir diesen grossen Spass und das riesige Erlebnis ermöglicht haben!!!

Boumi

  
 
Schnupperkurs Nürburgring: Wenndie.doc
 
Autor: Baumgartner Hanspeter
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